Umgang mit Schluckstörungen bei Demenz
Aus: Alzheimer Info 2/2018
Der Mensch schluckt etwa 2.000 Mal am Tag, größtenteils unbewusst. In jeder Phase des Schluckens kann es zu Problemen kommen – dann spricht man von einer Schluckstörung (alt-griechisch: Dysphagie). Menschen mit Demenz haben sehr häufig Schluckstörungen.
Schluckstörungen nach Schlaganfall
Durchblutungsstörungen im Gehirn und Schlaganfälle können zu Schluckstörungen führen. Rund 60 Prozent aller Schlaganfallpatienten sind davon betroffen. Die Schluckstörung bildet sich meist nicht vollständig selbstständig zurück. Etwa ein Viertel aller Betroffenen verstirbt kurz nach einem Schlaganfall. Häufigste Ursache innerhalb des ersten Jahres ist die Aspirationspneumonie, also eine Lungenentzündung, die durch das Einatmen bzw. Einschlucken von Nahrung oder Getränken beim Schlucken verursacht wird.
Weil am Schluckvorgang verschiedene Bereiche des Gehirns beteiligt sind, kann die Schluckstörung ganz unterschiedlich ausfallen – je nachdem, welcher Teil des Gehirns geschädigt wird. Wenn zum Beispiel das Kleinhirn betroffen ist, kann es zu motorischen Störungen kommen. Dann können die feinen Bewegungsabläufe, die zum Schlucken notwendig sind, nicht mehr umgesetzt werden. Eine andere Folge können kognitive Probleme sein, die dazu führen, dass der Schluckvorgang nicht mehr begonnen oder umgesetzt wird.
Schluckstörungen aufgrund kognitiver Probleme
Nicht alle Teile des Schluckvorgangs müssen bewusst gesteuert werden. Das Schlucken beginnt aber mit der Intention, etwas zu essen oder zu trinken. Zunächst muss also in der sogenannten präoralen Phase das erkannt werden, was gegessen oder getrunken werden soll. Die Wahrnehmung passiert über das Sehen und Riechen, manchmal auch das Hören und letztlich das Erkennen dessen, was in den Mund genommen werden soll. Danach, in der oralen Vorbereitungs- und Transportphase, muss das Öffnen und Schließen des Mundes, das Kauen und der erste Teil des Herunterschluckens gesteuert werden. Im Verlauf einer Demenzerkrankung gehen die kognitiven Fähigkeiten verloren, die dazu notwendig sind. Menschen mit Demenz haben oft bereits in der ersten Schluckphase Probleme. Motorische Probleme stehen hier nicht im Vordergrund, deshalb spricht man hier eher von einer „intentionalen Ess- und Trinkstörung“ – nicht von einer Dysphagie. Weil Menschen mit Demenz aber oft nicht nur eine Demenz, sondern auch andere altersbedingte Erkrankungen haben, ist eine Mischung aus kognitiven und motorischen Schwierigkeiten nicht selten.
Folgen von Schluckstörungen
Die Lungenentzündung ist eins der größten Risiken, die mit einer Schluckstörung verbunden sind. Für ältere Menschen verläuft eine solche Infektion nicht selten tödlich. Auch Mangelernährung und die Unterversorgung mit Flüssigkeit (Exsikkose) können eine gravierende Folge von Schluckstörungen sein.
Essen und Trinken hat aber auch eine wichtige soziale Funktion. Ein gemeinsames Essen verbindet uns und kann uns ein Gefühl von Zugehörigkeit geben. Deshalb ist es besonders wichtig, auch Menschen mit Schluckstörungen so gut wie möglich in dieses alltägliche Ritual einzubinden.
Erkennen von Schluckstörungen
Schluckstörungen kann man unter anderem an Folgendem erkennen:
- Häufiges Verschlucken, Räuspern, Husten
- Häufiges Ausspucken oder Hochwürgen
- Belegter, feuchter, gurgelnder Stimmklang
- Das Essen bleibt lange im Mund
- Nahrung oder Speichel läuft aus dem Mund
Eine Schluckstörung kann durch speziell ausgebildete Logopädinnen und Logopäden (Sprachtherapeuten) diagnostiziert werden, die durch den HNO-Arzt, Neurologen oder Hausarzt dazu einen Auftrag (mittels einer Heilmittelverordnung) bekommen. Die Diagnostik dient dazu, Ansätze für die Therapie sowie spezielle, individuelle Maßnahmen zu entwickeln, mit denen die Nahrungsaufnahme für den oder die Betroffene erleichtert und die Ernährung sichergestellt werden kann. Bei motorischen Problemen konzentriert sich die Behandlung darauf, die Schluckfunktion zu verbessern, etwa durch Training der Kau- und Schluckmuskulatur, die Veränderung der Körperhaltung und den Einsatz von Hilfsmitteln. Logopädinnen und Logopäden können auch Angehörige und Pflegekräfte im Umgang mit einer Schluckstörung beraten. Wünschenswert für eine gute Versorgung ist, dass Angehörige, Pflegepersonal, Therapeuten und Ärzte im Austausch stehen und hilfreiche Maßnahmen für die Betroffenen abstimmen.
Tipps zum Umgang mit Schluckstörungen bei Demenz
- Die Ess-Situation sollte bewusst als solche gestaltet werden, damit sie von der demenzkranken Person richtig eingeordnet werden kann. Es ist hilfreich, wenn Pflegende selbst auch essen.
- Wenn möglich, sollten Menschen mit Demenz in die Zubereitung des Essens einbezogen werden.
- Es hilft, wenn die betroffene Person selbst den Löffel hält und zum Mund führt. Gegebenenfalls sollte sie dazu angeleitet werden.
- Das Essen sollte appetitlich angerichtet werden.
- Eine aufrechte Körperhaltung erleichtert das Schlucken.
- Menschen mit Schluckstörungen brauchen Zeit und Ruhe zum Essen.
- Die Nahrung sollte leicht zu kauen sein, zum Beispiel weiches Gemüse, wenn nötig löffelfeste Breikost. Besonders schwer zu essen sind Mischkonsistenzen, etwaklare Brühe mit Fleischeinlage. Diese Mischung muss vor dem Schlucken im Mund sortiert werden. Wem das schwer fällt, verschluckt sich daran leicht.
- Lieblingsspeisen und –getränke können den Appetit verbessern.
- Speisen können besonders deutlich gewürzt oder gesüßt werden, damit sie im Mund besser wahrgenommen werden. Menschen mit Demenz haben in der Regel eine Vorliebe für Süßes. Das kann man sich zunutze machen.
- Wenn man bemerkt, dass jemand Nahrung lange im Mund behält, kann man die Person ans Herunterschlucken erinnern.
- Nach dem Essen sollte man sicherstellen, dass keine Nahrungsreste im Mund bleiben. Diese könnten eingeatmet und dadurch verschluckt werden.
- Weil der Mund ein sehr intimer Bereich ist, sollte man bei der Mundpflege behutsam vorgehen. Auch hier kann es hilfreich sein, den Finger oder die Zahnbürste des Betroffenen zu führen.
Dr. rer. medic. Melanie Weinert
Kölner Dysphagiezentrum
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