Dieser Sommer mit seinen hohen Temperaturen stellt für viele Menschen eine große Belastung dar. Gerade Menschen mit Demenz sind bei großer Hitze besonders gefährdet. Mit fortschreitender Krankheit ist das Temperaturempfinden häufig eingeschränkt. Die Menschen sind oft auch einfach nicht in der Lage, angemessen auf die Hitze zu reagieren, zum Beispiel warme Kleidungsstücke auszuziehen oder sich in kühle Räume zurückzuziehen. Hier ist es besonders wichtig, dass Angehörige oder Pflegende die Situation im Blick haben. Aber dazu gehört auch, dass man gut über mögliche gesundheitliche Gefahren von Hitze und die Symptome von hitzebedingten Erkrankungen informiert ist.
Monika Siebert (Name geändert) hat uns vor wenigen Tagen angerufen. Ihre Mutter war 87 Jahre alt, war durch eine Demenz schon sehr in ihrer Kommunikation eingeschränkt und auch kaum noch mobil. Frau Siebert hat sie alleine gepflegt, einmal täglich kam der Pflegedienst. Sie musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass weder die Mitarbeitenden des Pflegedienstes noch ein Notarzt den akuten Hitzschlag erkannt haben, dem ihre Mutter erlegen ist. Mit ihrem Bericht möchte sie dazu beitragen, dass anderen das Schicksal ihrer Mutter erspart bleibt:
„Man liest häufig, dass Senioren durch Hitzewellen gefährdet sind. Dabei habe ich an einen zu langen Aufenthalt in der Sonne gedacht. Gemeint ist damit aber die Gefahr von Überhitzung auch in Innenräumen, insbesondere im Bett. Die größere Hitzeanfälligkeit von Senioren hängt damit zusammen, dass sie weniger schwitzen, die körpereigene Wärmeabgabe ist dadurch eingeschränkt.
Bettlägerige sind besonders gefährdet: Sie überhitzen vergleichsweise schnell durch die Verwendung von Bettdecken und Lagerungshilfen aus Kunststoffen. Auch wasserfeste Betteinlagen sind meist wenig atmungsaktiv und können einen Hitzestau verursachen.
Raumtemperaturen bis maximal 26 Grad sind tolerabel. Die Körpertemperatur von alten, bettlägerigen Menschen sollte 36,9 Grad Celsius nicht übersteigen. Eine regelmäßige Überprüfung ist sinnvoll.
Weder der Pflegedienst noch die Ärzte haben mich auf die Gefahr der Überhitzung hingewiesen, obwohl meineMutter aufgrund ihrer vaskulären Demenz noch ein zusätzlich erhöhtes Risiko hatte. Erst nach dem Tod meiner Mutter habe ich im Internet relevante Informationen zu dem Thema gefunden. Ich habe im Nachhinein die Daten aus dem Wetterarchiv mit meinen Pflegenotizen verglichen und festgestellt, dass es meiner Mutter bei hohen Temperaturen immer schlecht ging. Die Unruhe und das Sprechen in der Nacht waren nicht eine Form von Verwirrtheit, sondern ein flehentlicher Hilferuf. Es ist ein unvorstellbarer Schmerz für mich feststellen zu müssen, dass ich diese Hilferufe aufgrund mangelnder Aufklärung ignoriert habe.
Bereits im Winter hatte ich festgestellt, dass meine Mutter nachts am Oberkörper stark schwitzt. Ich nahm eine leichte Decke für oben und eine zweite dicke Decke für die Beine, da meine Mutter aufgrund ihrer Durchblutungsstörung ständig kalte Füße hatte. Manchmal hat das funktioniert, manchmal fand ich sie am Morgen völlig durchnässt vor. Ich erzählte dem Pflegedienst und den Ärzten davon, erhielt aber keine Informationen. Folglich nahm ich das Problem nicht ernst genug. Mir fiel auch auf, dass meine Mutter nachts die Beine anwinkelte. Im Nachhinein weiß ich, dass dies ein verzweifelter Versuch war, die Hitze abzuwehren. Eines Abends war meine Mutter so stark erhitzt, dass ich ihr nur eine leichte Decke gab. Am nächsten Morgen war sie unterkühlt und bekam eine schwere Blasenentzündung. Dies führte dazu, dass ich in Folge meine Mutter eher noch wärmer zudeckte als vorher. Jedoch stellte ich mir jetzt um 2 Uhr den Wecker, sodass ich abends eine leichtere Decke und dann nachts, wenn sich der Raum abgekühlt hatte, zusätzlich die wärmere Decke verwendete. Es klappte einfach nicht, meine Mutter war am Morgen häufig verschwitzt, am Vormittag sehr müde.
Hitze verursacht sehr viele gesundheitliche Probleme, die gar nicht unbedingt als solche wahrgenommen werden. Eine Hitzeerschöpfung wird leicht übersehen und kann unbehandelt in einen Hitzekollaps oder Hitzschlag übergehen. In starken Hitzeperioden steigt auch das Risiko für Herzinfarkte oder Nierenschäden.
Die Wirkung der Hitze setzte bei meiner Mutter schon wochenlang vor dem ersten Hitzschlag ein. Anzeichen dafür waren beispielsweise Schwindel, Erschöpfung und Schwächegefühl sowie Schwellungen an den Füßen. Der erste Hitzschlag kam im Juni in einer schwülen Nacht. Die Symptome waren eine heiße und trockene Haut, kaum Schweiß, starke Unruhe, Krampfanfälle und Erbrechen. Ich habe immer wieder Kühlkompressen unter Nacken und Leiste gelegt und versucht darauf zu achten, dass der Körper dabei nicht unterkühlt wird. Am nächsten Tag rief ich den ärztlichen Bereitschaftsdienst, meine Mutter bekam eine Infusion. Die darauffolgende Nacht war ruhig. Tagsüber schien sich der Zustand meiner Mutter zu bessern, am Abend folgte der zweite Hitzschlag, danach ein dritter. Meine Mutter erhielt wieder Infusionen. Es war jedoch zu spät, der Urin war braun, die Nieren irreparabel geschädigt. Aufgrund der Patientenverfügung verzichtete ich auf weitere Infusionen. Meine Mutter konnte nicht mehr schlucken und verdurstete qualvoll nach drei langen Wochen.
Es heißt "Hitzetote sterben leise".
Ich bin untröstlich darüber, dass ich meiner Mutter nicht helfen konnte. Im Nachhinein weiß ich aber immer noch nicht, wie ich es hätte besser machen können. Es gibt einfach keine geeigneten Hilfsmittel zum Kühlen. Feuchte Waschlappen und leichte Decken reichen nicht aus. Vielleicht hätte eine kühlende Matratzenauflage geholfen. Dass es so etwas gibt, habe ich leider zu spät herausgefunden. Noch besser wäre ein Temperatursensor im Bett gewesen, der mich auf einen Hitzestau aufmerksam gemacht hätte. Ich hoffe, dass meine Geschichte dazu beiträgt, Lösungen für dieses Problem zu finden und andere Demenzerkrankte vor diesem Leiden zu bewahren.“
Wichtige Hinweise, um Pflegebedürftige vor Hitzeproblemen zu schützen, hat die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) auf ihrer Seite zusammengestellt: www.pflege-praevention.de/tipps/sommerhitze-pflegebeduerftige/